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Mythos Fachkräftemangel Teil 1

Selbstverursachter Teufelskreis

Fehlende qualifizierte Leute sind ein Problem fast aller Unternehmen. Statistiken von namhaften Institutionen belegen eindeutig, dass in Deutschland zu wenig Fachpersonal zur Verfügung steht. Das Verhältnis von Renteneintritt und Uniabsolventen oder gar Geburten kann Angst machen. Aufträge werden nicht oder nicht gut ausgeführt, weil geeignetes Personal fehlt, Kunden suchen Zuflucht bei der Konkurrenz, die schnell liefert. Wie das Kaninchen vor der Schlange stehen viele vor leeren Kandidaten Pipelines. Voller Sorge ist die Erklärung: Der Fachkräftemangel. Das Angebot an qualifizierten, motivierten und bezahlbarem Personal ist knapp. Der Schmerz ist real.

All das stimmt, ABER…

Der Fachkräftemangel als Entschuldigung für „Mehr vom Gleichen“ oder völlige Resignation

In Gesprächen mit Geschäftsführung, Management und Recruiting Abteilungen, wird der Fachkräftemangel fast schon fatalistisch heraufbeschwört – obwohl es gar keinen Mangel als solches gibt. Gesamtwirtschaftlich mag das stimmen, wenn man offene Stellen mit zur Verfügung stehenden Qualifikationen vergleicht. Auf individueller Unternehmensebene sieht das aber anders aus. Es existieren heute in jedem Unternehmen große Spielräume, sowohl auf der Angebotsseite, als auf der Nachfrageseite. Gewusst wie, sind diese sehr viel einfacher zu nutzen als gedacht. Weder braucht es in der Regel so viele offene Stellen, noch gibt es zu wenig Bewerber und Bewerberinnen. Firmen, die das verstanden haben, profitieren von entscheidenden Wettbewerbsvorteilen.

Bevor wir über Lösungen sprechen, weise ich auf die Gefahr hin, die von der Haltung „Hilfe, wir haben einen Fachkräftemangel!“ ausgeht. Die besorgniserregenden Statistiken und Studien sind alle korrekt, aber nicht unbedingt „wahr“. Begreifen wir den Fachkräftemangel als unumstößliche Wahrheit, schaffen wir eine Realität, in der wir wenig Handlungsspielraum haben. Die scheinbar ausweglose Situation ist Anlass, sich nicht mehr zu bemühen. Unternehmen und Recruitingabteilungen sind lustlos und frustriert – nach dem Motto „bringt ja eh nichts, ist halt so, sieht man doch überall!“ Im Sport kennt man das: Wer nicht an den Sieg glaubt, der wird nicht gewinnen. Man gibt auf, bevor man überhaupt angefangen hat. Und so dreht sich die Abwärtsspirale immer schneller in die falsche Richtung und der Teufelskreis beginnt.

Viele ziehen die falschen Schlüsse und fatale Fehlentscheidungen werden getroffen. Sich selbst verstärkende Teufelskreisszenarien entstehen.

Teufelskreisszenario 1: Stellen zu lange unbesetzt lassen

Unbesetzte Stellen bedeuten, dass das bestehende Personal Kapazitäten auffangen muss. Dadurch wird der eigentliche Job oft aus Zeitgründen vernachlässigt, die Qualität erodiert. Mehraufwand durch Korrekturbedarf entsteht. Die meisten Menschen möchten gute Arbeit machen und leiden, wenn sie spüren, dass sie ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Häufig werden Menschen in dieser Situation allein gelassen. Verweise auf Obstkorb, Yoga und andere Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagement wirken nur zynisch.

Schlechte Stimmung durch Überforderung fördert nicht gerade die Leistungsbereitschaft – Rückzug oder Krankheit sind die Folge.

Am Ende entscheiden sich Menschen für die Kündigung. Egal ob innere Kündigung bei Verbleib in der Firma oder ein externer Wechsel – der Bedarf an neuer Kapazität wird unnötig erhöht. Der Fachkräftemangel beginnt erneut einen Teufelskreis.

Besser ist es, mit dem Team gemeinsam zu besprechen, welche Aufgaben ohne Qualitätsverlust übernommen werden und welche nicht. Wie kann man sich anderweitig organisieren, was muss wie an Stakeholder kommuniziert werden, um eine Lösung für alle Seiten zu schaffen. Eine wunderschöne Teamentwicklungsübung, die neue Ideen für Effizienzsteigerung, positive Grundstimmung und Commitment erzeugt.

Teufelskreisszenario 2: Den oder die Nächstbeste einstellen

In Mangel an passenden Bewerbungen wird oft jemand eingestellt, obwohl große Zweifel bestehen. Doch Recruiter und Teamleitung haben das Recruitingziel erstmal erreicht. „Man muss Leuten auch mal ne Chance geben; wird er oder sie dann schon lernen“ ist die stille, aber illusorische Hoffnung. In dem Fall kann man nur hoffen, dass die Fehleinstellung schnell und deutlich erkannt wird und die Person die Position oder sogar das Unternehmen verlässt. Schlimmer ist es, wenn die Person im Unternehmen bleibt, obwohl bekannt ist, dass es keine Idealbesetzung ist. Die Botschaft an alle andere ist dann deutlich: „Das hier ist der neue Standard!“ Leistungsträger überlegen sich dann, ob sie im Unternehmen eine Zukunft haben, ob sich der Einsatz noch lohnt oder ob es besser ist, zu gehen.

Grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass viele Talente eine Chance bekommen sollen und man sich sehr viel aneignen kann. Hand auf’s Herz: Hat die Person eine reelle Chance im Job erfolgreich zu werden? Was braucht es dazu und kann dies tatsächlich (nicht nur theoretisch) ermöglicht werden? Ich spreche von z.B. Längere Zeit beim Onboarding, viel Geduld auf Stakeholder-Seite, wenn’s nicht gleich läuft, externe Schulungen, ein Teammitglied, das die intensivere Einarbeitung übernimmt und dafür an anderer Stelle entlastet werden kann, etc. Sind die Möglichkeiten begrenzt, ist es keine Chance, sondern der Weg in die Hölle für das neue Teammitglied.

Teufelskreisszenarion 3: Zum verzweifelten Bittsteller werden

Wer bereits verstanden hat, dass die Candidate Experience das Ah und Oh ist, verfällt im Recruiting-Prozess oft in die Haltung des ergebenen Dieners, der alles für die Traumkandidaten tut. Bloß keine zu anspruchsvollen Fragen, bloß keine Kritik. Lieber keine Stellung beziehen als die Falsche. Lächeln und zu allem ja und Amen sagen, was der Kandidat wünscht. Ich weiß, ich bin hier ein bisschen polemisch. Dennoch passiert es sehr häufig, dass man hauptsächlich von Kandidaten geliebt werden will. Kumpelhafter Austausch wird meist als vermeintliche Augenhöhe getarnt, ist aber oft ein zwar nettes, aber oberflächliches Herumreden. Im besten Fall bleibt es dem Kandidaten als angenehm und sympathisch in Erinnerung, wird jedoch viel häufiger als nichtssagend, wenig professionell und vor allem ohne belastbare Erkenntnis wahrgenommen. Es ist ein großer Unterschied, ob man sich anbiedert und um jeden Preis gefallen will, oder ob man sich seines eigenen Wertes bewusst ist, und demütig im Sinne von kooperativ und wertschätzend auftritt. Andere Arbeitgeber, die sich mehr Tiefe und Selbstbewusstsein bei der Evaluierung der Passung gönnen, gewinnen meistens.

Teufelskreisszenarion 4: Bewerber:innen in der zweiten Reihe parken

Wer kennt das nicht: Man hat jemanden an der Angel, weiß eigentlich, es passt nicht wirklich, aber man weiß ja nicht, was noch kommt. Absagen fühlt sich dann an, wie man sein Sicherheitsnetz in einer unsicheren Zukunft hergibt.

Also wird vertröstet. Und vertröstet. Und vertröstet. Der oder die Kandidatin merkt das natürlich. Die Begeisterung für das Unternehmen oder der Job nimmt ab. Findet sich doch niemand anderes, hat man schon an Tag 1 einen Neuzugang, der erstmal vorsichtig und nicht superengagiert ist. Vielleicht laufen noch andere Bewerbungen, man nimmt den Job erstmal, verhält sich ähnlich loyal und schaut, was noch kommt und nimmt den erstbesten Job, der im Recruitingprozess mehr Commitment dem Menschen gegenüber verspricht. Schlimmstenfalls gibt es eine negative Bewertung auf Arbeitgeberportalen. Die Chance, dass sich dann noch eine bessere Option bewirbt, ist verschwindend gering.

Teufelskreisszenario 5: Ansprüche so tief wie möglich ansetzen.

Im Glauben, dass man eh nicht das erforderliche Profil bekommt, wird gar nicht erst kommuniziert, was das Team braucht. In weiser Voraussicht lässt man tunlichst von vornherein nicht die geringste Hürde aufkommen. Talentierte Ausnahmeprofile brauchen keinen Uni-Abschluss, also gar nicht erst reinschreiben. Erfahrung wird zweifelsfrei benötigt, aber unter gewissen Umständen gelingt auch ein Quereinstieg, usw.

Herauskommt ein Profil, dass bis an die Unkenntlichkeit abgespeckt ist und mehr an eine ungelernte Hilfskraft erinnert, als an den Experten, den man sich erhofft. In diesem Zuge empfehle ich, auf Junior- / Senior Experten Rollen im Titel der Ausschreibung zu verzichten. Denn weder der Junior noch der Senior fühlt sich davon angesprochen. Lieber eine stimmige Einsteigerstelle und eine zusätzliche erfahrene Stelle veröffentlichen.

Der oder die Expertin wünscht sich, in all der Exzellenz gesehen zu werden, egal auf welche Karriereebene. Herausforderungen zu meistern, die andere nicht schaffen. Anspruchsvoll zu sein, kann sehr sexy wirken auf die passenden Kandidaten, die genau nach dieser Stelle suchen, sich aber nicht bewerben, wenn weniger qualifizierte Personen passen. Wer schmeißt schon gerne seine Perlen vor die Säue.

Es braucht einen Paradigmenwechsel

Genug der Teufelskreise. Es geht besser. Lassen Sie uns den Paradigmenwechsel einläuten. Durchbrechen wir die Blockaden und nutzen wir unsere Kreativität: Angenommen, es gäbe keinen Fachkräftemangel. Angenommen, es gibt den oder die beste Platzierung für Ihr Team, was würden Sie tun, um den oder die allerbeste Kandidatin der Welt zu gewinnen?

Meine Ideen, wie der Fachkräftemangel nicht mehr real sondern zum Mythos wird, gibts im hier im nächsten Blogbeitrag.

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